Rohkeramikfliesen nach Brannt + Kleben an Wand werden rissig

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christiane_drouven
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Registriert: Montag 18. Februar 2008, 18:35
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Rohkeramikfliesen nach Brannt + Kleben an Wand werden rissig

Beitrag von christiane_drouven »

Hallo alle zusammen,

ich bin dringend auf der Suche nach jemanden, der bezüglich der Fliesenherstellung über Fachwissen verfügt. Ich führe in einer Keramikwerkstatt für Menschen mit Behinderung ein Mosaik-Projekt durch. In diesem Rahmen haben wir begonnen Rohkeramik-Fliesen aus Steingut zu bemalen und selber bei 1080 Grad zu brennen. Anschließend zerschlagen wir die angemalten Fliesen und brennen sie erneut, um die Rissbildung vom Zerschlagen zum Schmelzen zu bringen und um die Kanten runder werden zu lassen. Aus dem Bruchmosaik haben wir kleine Mosaik-Stücke angefertigt, die wir mit der Pro Aritectura Fliese von Villeroy& Boch in einem Badezimmer kombiniert an die Wand gebracht haben. Nach einigen Tagen stellte sich heraus, dass sich in einigen Mosaikstücken feine Haarrisse gebildet haben. Es sieht so aus, dass dies durch die Spannung an der Wand im Kontakt mit dem Fliesenkleber und anschließendem Verfugen passiert ist. Ich habe eine gebrannte Fliese auch einmal zur Probe nach draußen in die Kälte gelegt und sie hatte nach ein paar Stunden Haarrisse in der Glasur. Weiß jemand, wie ich dem Problem auf den Grund gehen kann? Ich würde mich freuen von Ihnen zu hören,

Christiane Drouven
Drouven
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Milan
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Beitrag von Milan »

Hallo Christian,

wahrscheinlich passen Glasur und Scherben nicht zusammen. Brennen bei einer höheren Temperatur könnte Abhilfe schaffen. Handelt es sich um eine transparente Glasur?

Die Haarrisse in der Glasur müssen auch nicht unbedingt als Fehler angesehen werden. Sieht doch evtl. ganz dekorativ aus.

Gruß Milan
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adelfos
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Beitrag von adelfos »

Hallo Christiane Drouven,
an der Rissbildung ist weder der Fliesenkleber schuld noch allein der Temperaturunterschied.
Es handelt sich um Spannungsrisse die aufgrund unterschiedlicher Dehnung von Scherben (dem Tonuntergrund) und der Glasur entstehen. Neben der unterschiedlichen Dehnung oder Schrumpfung durch Temperaturwechsel ist zu bedenken dass niedriggebrannte Tone nach dem Brand ein Quellungsvermögen aufweisen, reagieren also auf Feuchtigkeit mit einer geringfügigen Dehnung, das ist der Fall oft kurz nach dem Brand bis nach mehreren Monaten! Daher hattest Du auch Risse kurz nach dem Verlegen und im Aussenbereich, auf Deinem Schreibtisch hätte das etwas länger gedauert.
In der Fachliteratur wirst Du eine ganze Menge zum Thema unter dem Begiff Wärmeausdehnungskoeffizient WAK finden. Dieser sollte sowohl beim Scherben als auch der Glasur gleich sein und läßt sich mit einer keramischen Laboruntersuchung (Stegersche Spannungsmessung) feststellen und was die Glasur betrifft auch berechnen. Kalksteingut hat einen WAK im Bereich von 6 bis 6,5x10-6 K und die Glasur sollte dahingehend angepasst werden, ausserdem haben Brenntemperatur, Brennkurve und Abkühlungsgeschwindigkeit Einfluss auf die Rissentstehung.

Bei Glasurrissen haben wir aber zwei Risstypen , solche die durch Zugspannung und solche die durch Druckspannung entstehen.
Erstere haben ein feinmaschiges Risswerk welches mit Tusche sich recht dekorativ einfärben lässt. In der Glasurtechnik meist bewusst herbeigeführt, werden als Krack- oder Craqueleeglasuren bezeichnet die einen besonders hohen Anteil an Alkalien haben. Durch teilweises Ersetzen des Alkalianteiles mit Erdalkalien oder Kaolinbeigabe sowie Erhöhung der Brenntemperatur wird die Rissbildung zunehmend kleiner.
Zweitere sind echte Glasurfehler, grossmaschiges Rissbild und auch oft Kantenabsprengungen - in dem Fall erhöht man zuerst mal den Alkalianteil in der Glasur oder mischt der Glasur etwas Krakleeglasur hinzu.

Herzlichen Gruss
Bernhard
Bernhard, [url=https://clayart.gr]TINOS CERAMICS[/url]
wolle
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Registriert: Donnerstag 31. August 2006, 13:34

Beitrag von wolle »

Hallo Christiane,
ich antworte hier mal einfach auf beide Posts, da sie doch die gleichen sind.

Meiner Meinung nach ist es a) fast unmöglich, eine haarrissfreie Glasur bei 1050° zu bekommen, Dies gilt insbesondere für nichtprofessionelle Anwender, da Brenn- und Abkühl-Kurven, Tonmassen, Glasurauftrag etc. nicht wirklich reproduzierbar sind.
Wenn Du hier mal im Forum suchst, wirst Du das Problem Haarrisse bei Steingut in schöner Regelmäßigkeit finden.

Weiterhin (ich habe b) nicht vergessen ;-)) ist es auch den Aufwand nicht wert.
Es gibt kaum mehr einen Töpferofen, der nicht wenigstens die 1150° schafft. in diesem Temperaturbereich gibt es sinternde Tone, angepaßte (Fertig-) Glasuren und das Leben wird viel einfacher.
Einzig keine vorgeschrühten Fliesen mag es geben (ich weiß es nicht). Anderseits kostet ein Fliesenausstecher etwa 15 Euro und wenn Ihr das Zeug anschließend sowieso zerschlagt, ist Akuratesse nicht ganz so wichtig.

Mein Vorschlag: Erweitere Dein pädagogisches Konzept um die Tonbearbeitung (schlagen, kneten) und stech die Fliesen selber aus.

Kosten:
10 Kilo Ton (frühsinternd bei 1150°) ca. 7 Euro (reicht für mind. 50 Fliesen 10cm x 10cm)

4-5 Glasuren á 5 Euro

Fliesenausstecher ca. 15 Euro.

Mußt halt zweimal brennen.

Gruß,
Wolfgang
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